Im Juli 2015.


Der Ruderclub Deutschland (RCD Stiftung Rudern) ist ein Ruderclub der alten Meisterruderer, die sich nach Ende ihrer Ruderkarriere zusammengefunden haben, um gemeinsam und ohne Stress sich an ihre alten Ruderzeiten zu erinnern, um Freundschaften und Geselligkeit zu pflegen und jungen Menschen zu zeigen:„Rudern ist eine Sportart, die man bis ins hohe Alter ausüben kann.“



Jedes Jahr macht der RCD eine Ruderwanderfahrt in schönen Ruderrevieren und Landschaften. So z.B. im letzten Jahr in England auf der Themse, zum 175-jährigen Jubiläum der Royal-Henley-Regatta, der ältesten Ruderregatta der Welt.

In diesem Jahr wurde die RCD-Wanderfahrt auf dem Pregel – von Tapiau bis Königsberg – von Walter Rix für den kulturhistorischen Teil und von mir für den ruderischen Teil, unter- stützt von meinem Bruder Kraft, ausgerichtet und organisiert. Wir beide wurden in Königsberg geboren, haben mehrmals  Deutsche-und Europameisterschaften gewonnen und konnten schließlich 1960 bei den Olympischen Spielen in Rom im  Achter die Goldmedaille gewinnen.

Schon am ersten Rudertag, dem 13. Juli, nach einer begeisterten Verabschiedung durch ein ganze Schulklasse, zeigte uns das ostpreußische Wetter, was es zu leisten im Stande ist. Nach anfänglichem bedecktem Wetter, bei dem das Aufriggern der drei Boote noch ohne Regen vonstatten ging, kamen wir, kaum daß wir auf den Wasser waren, in eine Gewitterwolke mit sturzflutartigem Regen, der auch nicht das kleinste Fleckchen unserer nicht für Regenwetter gedachten Ruderbekleidung trocken ließ. Es dauerte einige Stunden und schien gar nicht mehr aufhören zu wollen, auch die erste Rast in Langendorf mit Lunchpaketen und aufmunternden Getränken fand noch im Regen statt. Dann aber ließ der Regen nach, es kam etwas Gegenwind auf und die Sonne ließ endlich auch nicht mehr auf sich warten, so daß wir am Ende des ersten Tages in Fuchshöfen fast wieder trocken waren. Wir waren versöhnt und froh, daß der Verlauf des Wetters  nicht umgekehrt vonstatten ging.

Die Schönheit der unberührten Flusslandschaft – fast  30 km ohne Brücken oder Anleger, kein Gebäude rechts und links des Pregels – waren schon sehr beeindruckend für uns und ließ die Weite und Größe des gesamten Einzugsgebietes des Flusses nur erahnen. Es gibt wohl kaum etwas Schöneres für Wanderruderer, als die Stille der Natur – nur     unterbrochen durch das klatschende Einsetzen der Skulls – so  zu erleben. Andererseits hinterließ diese Situation auch etwas sehr Bedrückendes für uns, wenn man an das Leben in dieser Region in früheren Zeiten denkt.

Ich übernehme aus: Reisebücher von Anno dazumal, was einmal auf diesem Teilstück rechts und links des Pregels an Leben stattgefunden hat:

„Bei km 72,1 liegt rechts Tapiau, eine Kleinstadt mit ca. 6000 Einwohnern, Geburtsort von Lovis Corinth (1858 bis 1925). Dampferverbindung nach Königsberg und Tilsit. Jugendherberge 1,7 km Deime abwärts am linken Ufer. Der Pregel geht mit scharfer Wendung links ab, nach rechts führt die Deime nach Labiau und ins Memelstromgebiet. Bei km 76,5 rechts der Ort Wargienen, bei km 78 links der Ort Zimmau mit abgebrochenem Schornstein einer Ziegelei. Bei km 82 links der Ort Linkehnen mit Tonwerk. 1 km entfernt, gleich an der Eisenbahnstrecke der idyllisch gelegene Ort Kellermühle. Bei km 83,3  Fähre, mit  dem  Fährkrug auf der linken Flußseite, rechts 500 m landeinwärts das Kirchdorf Kremitten. Dann kommt bei km 86 rechts das Schloß Langendorf. Dann rechts bei km 90 Vogelsang. Bei km 95,6 die Pregelteilung, rechts der neue Pregel, der in der Regel befahren wird, links der alte Pregel. Beide sind gleich lang und durch drei Verbindungsarme miteinander verbunden, und zwar 1,5 km oberhalb von Fuchshöfen, 1 km unterhalb von Arnau und 1 km unterhalb von Gut Palmburg. Bei km 103 dann rechts der Ort Fuchshöfen“. So weit die Schilderung aus dem Reisebüchlein von Anno dazumal.
 
Der Bus mit dem Landkommando holte uns in Fuchshöfen ab und durch einen kleinen Abstecher auf der Fahrt ins Hotel, nach  Arnau, hatten wir die Möglichkeit, das Wohnhaus des ehemaligen preußischen Staatsmannes Theodor von Schön, gestorben 1856 in  Arnau, zu besichtigen.

Der Abend im Hotel Albertina brachte mit der Vorführung der „Bernsteinblumen“ mit Tanz und Gesang den ersten Höhepunkt unserer Fahrt. Alle sind begeistert und sparten nicht mit Beifall und natürlich auch nicht mit finanzieller Unterstützung.

Der zweite Tag beginnt mit dem Einsetzen der Boote in Fuchshöfen bei herrlichem Sonnenschein, der uns bis zum Freitag nicht mehr verlassen sollte. Dieses Wetter hatte ich bei unserem Vorbereitungsbesuch im Mai erlebt und meinen Ruderkameraden versprochen. An dieser Stelle wäre zu vermerken, dass wir unserer lieben Begleiterin auf mancher Königsbergfahrt, Gertrud Nagorni, wohnhaft in Berlin und Königsberg, einen großen Wunsch erfüllen konnten, nämlich, einmal mit uns großen Ruderrecken gemeinsam im Boot zu sitzen und wirklich zu rudern. Sicher ein bleibendes Erlebnis für sie. (Aber auch für uns!)  Bis nach Arnau waren es nur etwa 5 km, die dann trotz der  Neubesetzung in kurzer Zeit  zurückgelegt wurden. Schon aus großer Entfernung war vom Wasser aus der Kirchturm der Arnauer Kirche zu erkennen. Hier erwartete uns ein reichhaltiges Buffet auf der Terrasse unseres Freundes Oleg Ivanovitch, er ist Vertreter für deutsche Werkzeuge für das gesamte Gebiet und wohl auch darüber hinaus. Vorher besichtigten wir die renovierte Kirche in Arnau, die nach den ersten wichtigen Erhaltungsarbeiten durch das Kuratorium Arnau e.V, von der russisch orthodoxen Kirche gewissermaßen okkupiert worden ist. Ebenfalls konnten wir die Grabstelle  von Theodor von Schön, dem Mitarbeiter des Freiherrn vom und zum Stein (ab1806) und späteren Oberpräsidenten von Ost-und Westpreußen (ab 1824) unweit der Kirche von Arnau aufsuchen und wurden über die Bedeutung dieses Mannes für die preußische und deutsche Geschichte durch einen Kurzvortrag von Dr. Walter Rix informiert.

Ich entnehme aus: Preußens Staatsmänner, Leipzig 1848, folgende Textstelle über Theodor von Schön: „An der Erneuerung Preußens war er mit an erster Stelle beteiligt. Seine vertraute Verbindung  mit Reichsfreiherrn vom und zum Stein hatte für das unglückliche Land die glücklichsten Folgen, Stein besaß eine Eigenschaft, die für die damaligen Verhältnisse von größter Wichtigkeit waren: Energie des Charakters und Raschheit des Entschlusses, aber ihm fehlte Konsequenz und besonnene Ausdauer. Diese gab ihm Schön, dem wir Unrecht tun würden, wenn wir ihn die rechte Hand Steins nennen wollten, den wir vielmehr den Kopf desselben nennen könnten. Schön machte Stein zum Gefäß seiner Ideen. Schön gab die Gedanken, Stein brachte sie zur Ausführung.“

Der Abschied von Oleg fiel manchem schon nicht mehr so leicht, weil wohl auch Wodka Beine und Arme schwer machte, was aber, sowie wir in den Booten saßen und  uns mit einem kräftigen „Hipp Hipp Hurra“ verabschiedeten, kaum noch ins Gewicht fiel. Je näher wir Königsberg kamen, desto mehr veränderte sich die Flußlandschaft. Industriebauten, Uferbefestigungen und auch schon hin und wieder Motorboote ließen die Nähe der Großstadt erkennen. Es waren nur noch etwa 8 km bis zum Ruderzentrum, die aber gerudert werden wollten und mußten, auch wenn zum Schluß rauer Gegenwind und Kabbelwellen das Rudern schwerer machte. Hier wartete bereits unser guter Gregori, Leiter des Ruder-und Wassersportzentrums, der uns das gesamte Bootsmaterial zur Verfügung gestellt hatte und war beim Anlegen und Aussetzen der Boote behilflich. Wir waren einigermaßen in der Zeit. Der Bus mit den Landfahrern war natürlich schon vor uns da und wartete auf uns und wieder ging es durch unglaublichen Straßenverkehr mit Staus vor jeder Ampel zum Hotel. Umziehen und Abendessen durfte nicht allzu lange dauern, denn es sollte im Deutsch-Russischen Haus der Vortrag über: „Rudern, von der Vorzeit zum Olympiasieg“, vorbereitet und gehalten von Kraft, stattfinden. Der Vortrag, mit Simultanübersetzung ins Russische, war ein großer Erfolg, leider waren nur wenige russische Freunde der Einladung gefolgt, dennoch sind solche Veranstaltungen wichtig für die Festigung der Deutsch-Russischen Freundschaft.

Den Abschluß dieses schönen und erfolgreichen Tages machte dann der Besuch im Rittersaal, einem Bierlokal im Zentrum Königsbergs, mit lauten Gesprächen über das bisher Erlebte und Planen für den nächsten Tag, wobei auch Gespräche mit heutigen Königsbergern, zwar holperig aber doch mit unseren kümmerlichen Russischen Sprach-Kenntnissen und mit Hilfe unserer in allen Dingen hilfsbereiten Mina Wall, einigermaßen zustande kamen.

Am Morgen des dritten Rudertages werden diesmal die Bootsbesetzungen nicht wie an den beiden vorherigen Tagen durch den Fahrtenleiter bestimmt, sondern das Los sollte entscheiden, wer mit wem in welchem der drei Boote sitzt. Es sind die Boote Samland, Kehrwieder und S. Schmidtke, alles Doppelvierer mit Steuermann, für Wanderfahrten die am besten geeignete Bootsgattung. Nach reichhaltigem Frühstück und Beendigung des Losverfahrens, treffen wir beim Ruderzentrum ein, wo uns das bereits für den vergangenen Montag angekündigte Fernsehteam Kaskade erwartet. Jede Planung wird durch das plötzlich auftauchende Fernsehen über den Haufen geworfen, nach dem Motto: „Ich bin im Fernsehen, also bin ich!“ Aber es sollte nur die Fahrtenleitung sein, die man befragen wollte. Nach einigen eher belanglosen Fragen zum Ablauf unserer Wanderfahrt, wer die Teilnehmer sind, wie und wo wir untergebracht sind und wie die Verbindung zum Königsberger Ruder-und Wassersportzentrum zustande gekommen ist, kam die wohl wichtigste Frage: Empfinden Sie Kaliningrad/Königsberg noch als Ihre Heimat? Unsere Antwort ließ nur kurz auf sich warten: Wie könnte es anders sein, wir sind hier geboren, haben die ersten 9 und 10 Lebensjahre hier gelebt, haben an der Ostsee Ferien mit den Eltern und Geschwistern verbracht und sind seit Generationen in diesem Land verwurzelt, was auch gerade durch das Rudern zum Ausdruck kommt. Vater und Großvater waren eng mit dem Königsberger Ruderclub verbunden. Ja, Königsberg ist unsere Heimat! Die Entwicklung der Stadt Königsberg haben wir durch  wiederholte Besuche miterlebt. Vieles ist inzwischen erreicht worden, doch noch sehr viel mehr könnte durch engere Deutsch-Russische Zusammenarbeit  geschaffen werden. Gerade dieser Gedanke hatte uns bewogen unsere diesjährige Ruderwanderfahrt hier auf ostpreußischen Gewässern zu organisieren. Wir danken für die freundliche Aufnahme, für die vielen neu gewonnen Freunde und sind sicher, daß dies nicht das letzte Mal ist, daß wir hier sind.

Mit der letzten Ruderetappe ins Königsberger Hafengebiet und rund um die Dominsel, kamen wir unter der Schmiede-Brücke, der Krämer-Brücke, der Grüne-Brücke, der Köttel-Brücke und der Honig-Brücke hindurch und spürten den Wind, der uns vom frischen Haff mit beträchtlichem Wellengang entgegen kam und schon bald zum Umkehren bewog.Der ruderische Teil unserer Wanderfahrt war damit beendet. Das Reinigen der Boote und ordnungsgemäße Verstauen der Skulls und Rollsitze war nur noch Formsache und schnell beendet. Der Zeitplan erlaubte es,noch bevor wir zum Fort I zu unserem Freund Stanislaw Lauruschonis fuhren, im Dom ein Orgel-Konzert mitzuerleben – gewaltig anzuhören –  und wohl Pflicht für jeden Königsberg-Besucher. Bei Stanislaw erwartete uns bereits ein vorbereitetes Picknick im Freien in frischer grüner lichter Umgebung, das wir alle genossen, danach aber für die umfangreiche Besichtigung zum größten Teil nicht mehr empfänglich waren.

Der Donnerstag brachte dann mit der gemeinsamen Fahrt auf die Kurische Nehrung  den Höhepunkt der ganzen Unternehmung, nämlich: das Baden in der herrlichen Ostseebrandung. Es erinnerte an Kindheitstage und Ferien vor längst vergangenen  Zeiten. Natürlich besuchten wir die Vogelwarte, die „Tanzenden Bäume“ und ein Fischrestaurant. Den Abschluß des ereignisreichen Tages bildete dann der Vortrag von Prof. Gilmanov über: „Königsberg, seine Entwicklung in Gegenwart und unsicherer Zukunft“. Es blieben Fragen offen, vor allem, in wieweit die ökonomische Entwicklung, z.Zt. getragen von rein materialistisch, kapitalistischen Vorstellungen, sich wenden könnte zu Vorstellungen, die Kant schon im 18.Jahrhundert entwickelt hatte, zu einem Rechtsstaat in republikanischem Sinne mit einem Weltbügerrecht und dem „Ewigen Frieden“. 

Am Freitag ging es auf allgemeinen Wunsch nach Palmnicken, dem Ort der größten Bernsteinfunde an der ostpreußischen Ostseeküste, mit Besichtigung der Bearbeitungs-stätten und des Bersteinmuseums. Leider gehen nicht alle Wünsche in Erfüllung, wegen einer Bombenentschärfung im Tageabbaugebiet, konnten wir leider die imposanten Bagger-und Förderanlagen dort nicht besichtigen. Dennoch höchst zufrieden gelangten wir  nach anderthalb Stunden Fahrt wieder im Hotel an und bereiteten uns auf  den Abschluß unserer Ruderwanderfahrt im Wassersportzentrum vor.

Nach Austausch von Wimpeln und gegenseitigen Geschenken, bekam jeder Teilnehmer von Gregori eine Teilnehmermedaille umgehängt, eine schöne Geste, zumal es sich für ihn um ein kleines Jubiläum handelte. Wir waren die zehnte Gruppe von deutschen Ruderern, die er in den letzten Jahren betreuen konnte. Der Tag endete nach sehr und so lange hatte auch unser treuer Busfahrer  Pavel  ausgeharrt, um uns zum Hotel zu bringen, diesmal in relativ kurzer Fahrzeit, fast keine Autos auf der Straße.

Mit dem Rückflug am Sonnabend dem 18.Juli endete unsere ins gesamt wohl sehr eindrucksvolle Ruderwanderfahrt.

Dr. Frank Schepke, Löptin